Dieser Artikel ist die Fortsetzung des zuvor erschienenen Artikels Was ist Meditation?

Wichtige Konzepte der Meditation

Paramahamsa Niranjanananda Saraswati

1. Achtsamkeit

Im „Normal“-Zustand sind wir involviert und identifiziert. Involviert-Sein bedeutet, dass wir noch nicht erkannt haben, dass unsere erlernten und konditionierten Reaktionen nicht unser Selbst sind. Aus dem Zustand der reagierenden Verstrickung, oder auch des „Anhaftens“ heraus, so wurden wir trainiert, ergibt sich das Ich. Doch das Ich ist der Schleier vor dem Selbst. – Achtsamkeit bringt Licht in das Dunkel der selbstverlorenen Automatik. Sie schaut genau an, was unsere wie von selbst laufenden Gedanken, Gefühls- und Verhaltensreaktionen so treiben. Dabei greift sie nicht ein, sondern sie forscht und macht uns bewusst, was vorgeht – wodurch seltsamerweise etwas geschieht.

2. Beobachten und Meditation

Um in einen ruhigen Gemütszustand eintreten und ihn beibehalten zu können, benötigen wir die Fähigkeit der Beobachtung, d.h., dass wir mehr und mehr zu einem rein schauenden, unparteiischen Beobachter dessen werden, was sich in der Meditation ereignet. Da gibt es z. B. Körperempfindungen, das Atmen und den Sog des assoziativen Gedankenstroms. Nun käme es darauf an, nicht zu werten, nicht zu re-agieren, nicht sich von den Gedanken forttragen zu lassen. Stattdessen kommt es darauf an, der Beobachter zu sein. Wenn dies gelingt, verbinden wir uns als unbeteiligte und nicht eingreifende Zeugen eines Geschehens mit unserer inneren Natur, eben dem unveränderlichen, ewigen Selbst, das unberührt von den konkreten und endlichen Ausformungen des Lebens bleibt.

Indem wir als Zeuge und Beobachter unserer Lebensabläufe stärker werden, meditieren wir, um:

  • Distanz vom Ich und den Ablenkungen der Sinne und des Geistes zu ermöglichen. Durch diese Distanz wird der Zustand von Pratyahara (siehe nächster Abschnitt) leichter erlangt.
  • „bequem zu sitzen“, unabhängig von den Erfahrungen, die während der Meditationsübung auftreten können, und ohne in Gefühle der Identifikation bzw. damit verbundene Erfahrungen hinein zu geraten und sich in ihnen zu verfangen;
  • durch die Freisetzung von Gedanken, Emotionen, Erfahrungen, die sonst in uns vergraben blieben, das Selbst zu reinigen;
  • ein besseres Verständnis des Ich, des Verstandes und der Emotionen durch die Entwicklung der Eigenschaft zu entwickeln, die zugrunde liegenden Muster unseres konkreten Lebens zu erkennen;
  • unser Leben in seiner aktuellen Form besser und ausgewogen handhaben zu können.

Die Beobachter-Rolle wird als direkter Bestandteil von Yoga-Übungen kultiviert. Sie ist ein grundlegendes Merkmal der tantrischen Meditationstechniken Satyananda Yoga Nidra (Tiefenentspannung), Kaya Sthairyam (Die Körperstille) und Antar Mouna (Innere Stille) und ist bei recht verstandenem Tun allen Yoga-Übungen und meditativer Lebenspraxis innewohnend.

3. Pratyahara

Pratyahara wird jener Zustand genannt, in welchem sich das Bewusstsein von den Sinnen zurückzieht, sich also von der durch die Sinne repräsentierten Außenwelt ab- und der inneren Welt zuwendet. Normalerweise ist im Wachzustand unser Denken nach außen gerichtet und folgt den Sinnen – dem, was wir sehen, hören, riechen, schmecken und körperlich erleben. Pratyahara zieht uns aus dem Sinnestaumel heraus. In diesem Prozess werden die Sinne trainiert, dem Geist zu folgen, anstatt dass – umgekehrt – er ihnen nachläuft.

4. Konzentration

Dies ist ein häufig verwendeter Begriff in Beschreibungen zur Meditation. Es ist dabei ganz wichtig, den Alltagsgebrauch des Wortes „Konzentration“ von jenem Zustand der Konzentration, den wir während einer Meditationsübung anstreben, zu unterscheiden. Die Konzentration während der Meditation ist ein entspannter, geistig-fokussierter Seinszustand. Im Alltag verbinden wir mit dem Wort Konzentration oft geistige Anstrengung, verbunden mit einem Niederhalten von Ablenkungen, letztlich also einen Zustand des Angespanntseins und des inneren Kampfes. Doch solch ein Zustand würde die Meditation hemmen. Denn hier ist mit Konzentration ein entspanntes, aber gegenwärtiges, beobachtendes Wachsein gemeint, in dem der Fokus des Bewusstseins auf einem Punkt der Betrachtung verweilt und ohne innere Gewalt anstrebt, gegenwärtig und achtsam zu bleiben und sich nicht mit den Gedanken, Bildern oder Gefühlen der Vergangenheit davonzuschwimmen.

Lotusblüte

5. Innere Reinigung

Ein wichtiger Effekt der Meditationspraxis ist die Reinigung unseres inneren, geistigen Seins. So wie die Asanas und die Hatha-Yoga-Reinigungstechniken den Körper reinigen, reinigt Meditation den Geist. Diese Reinigung wird durch das Beobachten unserer unterschiedlichen Geistesaktivitäten eingeleitet. Der Prozess mündet im Freigeben emotionaler und Denkmuster, die uns begrenzen. Dies kann sehr intensiv sein und eben deswegen ist ein systematisches, begleitetes Vorgehen bei den Meditationsübungen sehr wichtig.

6. Regelmässigkeit der Übung

Alltag ist gewissermaßen bewusstlose Übung, als solche ist er stark und mächtig. Streben wir eine echte Veränderung an, dann ist dem mechanisierten Alltag nur die Regelmäßigkeit bewussten Übens gewachsen. Dies ist umso entscheidender für die Meditationspraxis, wenn die Prozesse, die mit ihr beginnen, optimal unterstützt werden sollen. Wir überlisten unseren Geist, durch reguläres Üben zu bestimmten Zeiten an einem bestimmten Ort eine mechanische Gewohnheit auszubilden, an der er sich orientieren kann, währenddessen wir in Meditation üben, ganz umgekehrt die konditionierte Mechanik des automatisierten Lebens durch achtsames Gewahrsein und Beobachtung abzulösen.

7. Zu Beachtendes

Wie bereits erwähnt, können Meditationsübungen starke Erlebnisse hervorrufen und sollten schrittweise eingeführt werden. Es ist ratsam, die Leitung qualifizierter LehrerInnen zu suchen. Einige Praktiken können für Menschen, die übermäßig introvertiert oder anfällig für Depressionen sind, bzw. sich in sonstigem psychischem Ungleichgewicht befinden, weniger geeignet sein. Hier ist jedenfalls die qualifizierte Anleitung vor Beginn der Meditationspraxis ratsam.

8. Meditative Asanas (Körperhaltungen)

Die bequeme Sitzposition ist integraler Bestandteil der Meditationspraxis. Vorbereitende Asanas führen zur Ausbildung der erforderlichen Stärke und Flexibilität für das längere Sitzen. Hilfreich sind die Pawan Muktasana 1, die Asanas für Füße, Knie und Hüften, sowie Asanas generell. Es hat sich sehr bewährt, mit kurzzeitigem Sitzen und schrittweiser Verlängerung der Meditationszeit zu beginnen. Regelmäßiges Sitzen verstärkt nach und nach die Empfindungen einer stabilen Körperhaltung sowie des Wohlbehagens in der Sitzposition.

Zum Schutz der Kniegelenke sind bewusst gemachte und sehr achtsame Bewegungen in die meditative Asana hinein und aus ihr heraus wichtig.

Eine gefaltete Decke oder ein Polster unter dem Gesäß und/oder den Knien, auch Meditationshocker und Stühle werden als Unterstützung genutzt, um den Rücken aufgerichteter Position zu halten.

Meditation-Jnana Mura

9. Mudras

Während der Meditationsübung werden hauptsächlich Jnana Mudra – die psychische Geste des Wissens und der Weisheit oder der Chin Mudra – die innere Geste des Bewusstseins genutzt, um den den Energiefluss im Körper und Geist nach Ihnen zu lenken.

10. Reihenfolge

Die Beobachterhaltung, im Sanskrit drasta genannt, soll während der Übung durchgängig beibehalten werden. Diese Schritte werden ausgeführt:

  1. bequem in eine meditative Asana setzen, ruhige und stabile Sitzposition einnehmen
  2. Achtsamkeit auf die Körperstille (Kaya Sthairyam)
  3. Atem-Bewusstsein
  4. spontane, geistige Konzentration auf die Praxis der eigentlichen Meditationsübung
  5. behutsames Verlassen der subtilen inneren Räume durch schrittweise Externalisierung

Jede dieser Phasen kann kurz oder lang sein, je nach Art der Meditationstechnik.